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Legende
La Mina: Das Viertel in dem ich lebe und arbeite
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
Paco Moreno (alle Namen geändert): Praesident des CCG und Flamencopurist
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor


payo/paya: Nicht-Gitano / Nicht-Gitana, emic-Begriff
quinquillero_a: Nomad_in, der/die wie ein Gitano lebt aber ethnisch keine_r ist, auch emic
mestizo_a: Jemand, der genetisch 50/50 Gitano/Payo ist

Samstag, 26. Mai 2012

Einweihung - in Sicht

Gestern gabs wieder aus dem Blauen eine kleine einweihung: Ein spontanes gespräch mit dem präsidenten des kulturzentrums, Paco Moreno, auf der straße. Besser illustriert: Sara (s. legende) und ich machten grad den laden dicht – ich bin jetzt ja jeden tag dort, zum vorbereiten der englischstunden und für die stunden selbst, aber z.Z. auch als allgemeiner freiwilliger mitarbeiter des zentrums, bissi hausmeister und sekretaer. Moreno schneit jeden tag einmal vorbei, so ca., diesmal gings u.a. um seine immatrikulierung für philologie. Das will er studieren, weil er „hat viel zu erzählen“ und will „das mit Stil machen“, sagte er. Dann kamen wir irgendwie aufs pinkeln zu sprechen und dass wir alle im grunde tiere sind (er: „ich stamme nicht nur von affen ab, ich BIN einer), um dann wieder über den unterschied zwischen anthropolgie, ethnologie und europäischer ethnologie und meine zukunftigen pläne zu sinnieren... schließlich gings mehr in die tiefe: Er meinte dass es jetzt noch viel „vergüenza“ zwischen uns beiden gibt, also scheu bis scham, und dass wir uns besser kennenlernen müssen, die „anderen personen im anderen“, v.a. indem ich jetzt bald mal die gitano-einweihung machen werde, die grosse, die, wie er sagte, „gitano-version der indianischen friedenspfeife“: sich gemeinsam einen ansaufen, ziemlich kompetitiv, glaube ich.

Die leute von außerhalb des viertels sagen mir ausnahmslos alle auf die eine oder andere art, dass „sie“ mich am ende betrügen, berauben, fallenlassen werden, weil sie mich immer als „payo“ betrachten werden, sie sagen dass „sie“ wie die tiere sind, praktisch unfähig was zu lernen, usw. Aber im viertel selbst herrscht eher ein gleichheitsdiskurs vor, die leute wollen sich, bei allem bewusstsein „ihrer“ kultur, in erster linie als menschen sehen und ethnische unterschiede nicht so sehr betonen. Das wird m.E. auch gelebt, in den bars z.b. gibt es ein freies ein-und ausgehen von gitanos/-as und pay_as (wie gender ich das?), egal ob der besitzer nun gitano/a oder payo/a ist, und eine freie interaktion zwischen ihnen.
Und dieser Moreno-clan, „seine“ organisation und dessen mitarbeiter, scheint in der hinsicht das sahnehäubchen zu sein. Es schaut immer mehr danach aus dass es zumindest hier sehr wohl möglich ist, mehr akzeptanz bis freundschaft, vertrauen und „geheimnis“ zu erreichen als es nicht nur die rassistischen äußerungen von außen, sondern auch die ethnologen, die da schon forschten, sagen.

Denn letztere, im konkreten hab ich bis jetzt zwei, tun zwar auf offener ansatz, haben aber anscheinend doch noch einen riesenhaufen falscher vorstellungen im kopf, die ihnen soviel angst machen dass es fuer sie nicht moeglich ist ganz normal im feld zu LEBEN!
Auf einen davon (namen lass ich weg) und seine „ethnographie andalusischer gitanos in la mina“ hab ich mich bis jetzt voll verlassen, und sie hat auch bestimmt ihren wert, aber laut Moreno ist schon der titel falsch, und fokus der arbeit auf "andalusisch", weil sich die gitanos andalusischer herkunft hier nicht mehr wirklich als andalusisch sehen, herrje. Der Forscher hat zwar im zentrum mitgearbeitet, hat sich durchaus „an haxn ausgrissn“, ist aber in die arbeit GEPENDELT, weil er offensichtlich nicht im viertel leben wollte, und vor allem deshalb war seine forschung laut perona „schlecht“, weil er vieles nicht verstanden hat. Moreno WILL also sogar, dass ich sie beforsche, weil es seines erachtens wenig gute forschung ueber gitanos gibt. Vorausgesetzt ich machs „gscheit“, dh dort leben, mich mit ihnen austauschen, etc.
Er hat mich also explizit gefragt, ob ich jetzt wirklich bleibe, und wie lange, und will mich glaube ich als teil des teams vom kulturzentrum behalten.
Und deshalb hätte er mich auch gerne als schüler in dem Romanes-Kurs den er interessanterweise nur für gitanos geben möchte (tja, bei einigen besonderen kulturelementen wie sprache und flamenco wird’s im sinne ethnischer trennung dann doch ernst).

Wieder einmal stellt sich mir die frage: Wo wird das nur hinfuehren?
Ich empfinde die Feldforschung gerade als sehr spannend, was sehr erfuellend ist und hoffnung macht, gerade im kontext meiner "sozialen abhaengigkeit", es macht aber auch angst, wie zb besagte einweihung, in gewisser hinsicht. Aber das ist eine geschichte fuer spaeter.

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