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Legende
La Mina: Das Viertel in dem ich lebe und arbeite
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
Paco Moreno (alle Namen geändert): Praesident des CCG und Flamencopurist
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor


payo/paya: Nicht-Gitano / Nicht-Gitana, emic-Begriff
quinquillero_a: Nomad_in, der/die wie ein Gitano lebt aber ethnisch keine_r ist, auch emic
mestizo_a: Jemand, der genetisch 50/50 Gitano/Payo ist

Donnerstag, 10. Mai 2012

Das Sein im Feld

Wenn ich mich im Feld frei“arbeiten“ kann, und mich nicht nur verbal, sondern auch emotional-affektiv ehrlich ausdrücken kann, weil ich ein grundsätzliches Vertrauen beiderseits er“arbeitet“ habe, dann, ja dann! Ich betrachte das als Methode, eine sehr wirksame, weil sie einfach mehr sichtbar macht als passives Observations-Verhalten. Ein starker persoenlicher Ausdruck ist wie eine klare Frage, auf die klare Antworten kommen. Es wird dann klar, „obs geht oda net“, ob ja oder nein, ob und wie ich oder dieser jeweilige Ausdruck angenommen oder zurückgewiesen wird, und fertig. Genau da kommen dann erst wertvolle Daten raus, klare Reaktionen. Aber es ist halt sehr verlockend, im Zustand der Unbestimmtheit, am österreichischen (bzw. "wissenschaftlichen") Weg zu bleiben: sich ducken, damit nix passieren kann, sich in Sicherheit wiegen. Sich nicht verwundbar zu machen, preiszugeben, keine Angriffsfläche zu bieten.
Sicher, „klare Reaktionen“ heißt auch: mehr Watschen, wahrscheinlich.

Beispiel: Ich am explorieren, in einer belebten Gitano-Bar, am Nachmittag. Es herrscht eine Stimmung zwischen Partybar und Dorfbeisl, spontan entsteht ein Tanz- und Klatschkreis, Flamenco, ich stelle mich dazu, und da fordern sie mich auf, IN den Kreis zu gehen, Tanzeinlage machen. Im Sinne eines „Action Research“ und auch im Zwang, nicht Nein sagen zu dürfen (Akzeptanz bekommen) geh ich halt rein und bin sogleich verloren, irgendwo zwischen ich selbst und Gitano sein wollen, und komme mir beim „Tanzen“ in dem rauhen Umfeld irgendwie sehr „weiblich“ vor, was mir in dem Moment in dem Umfeld sehr unangenehm ist, oder auch wie ein lächerlicher Clown, wie ein sehr eigenartiger Fremdkörper, und winde mich, komm nicht raus: peinlich und unangenehm bis masochistisch. Verhaltene Reaktionen. Hätte vielleicht doch ein bisschen warten sollen, bis ich weiß was ich will oder kann in der Situation, (erst mal) Nein sagen ist manchmal vielleicht doch gescheiter.
Oder aber: es hat einfach nicht funktioniert, weil ich mich am Ende (=im Moment) eben doch nicht getraut habe, aufzumachen, mich freizumachen von den ganzen Zwängen die ich mir da „für die Wissenschaft“ auferlege – vor allem der Zwang, einen Eingang ins Feld zu finden, sprich akzeptiert zu werden.

Daher bleibe ich dabei: Wenn man riskiert, den Mund aufzumachen, seine Meinung zu sagen, seine Identität zu leben, bekommt man die Sicherheit der Klarheit und des Wissens, wenn man nix tut und sich hinter wissenschaftlich-objektivem Abstand, Ausreden oder „ich hab Angst“ versteckt, bleibt man in der Unsicherheit der Unbestimmtheit und des Unwissens. Ein Gewitter mag zwar unangenehm sein, es mag stören, verstören, zerstören, aber danach ist die Luft klarer...ohne Gewitter bleibts schwül.

Aber klar, das ist ein Idealbild, an dem ich mich orientieren moechte, Theorie halt. Schauen wir mal, wie "ideal" ich das Gewitter finde, wenn zB. mein Englischkurs, der ja auch als eine Art Kontrastmittel gedacht ist, schiefgehen sollte. Und schauen wir mal, wieviel von dieser "self-exposure" wirklich notwendig ist - denn ich lebe bald dort, und dann wird vieles einfach auch alltaeglich sein, und nach keinen Wundern verlangen. Dann wird die Herausforderung wahrscheinlich darin liegen, eben nicht mehr soviel zu wollen, Geduld zu haben und ganz gemütlich Knochenarbeit zu leisten.

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