Dieser Blog soll Medium sein für die Vermittlung und Reflexion meiner Feldforschung für die Diplomarbeit in Barcelona/ESP, Thema "Protestantische Kirchen als soziokulturelles Problem in spanischen Romacommunities". So bin ich hier auf mich allein gestellt, die Fittiche von Schule, Arbeitgeber, Uni hinter mich lassend, mein erstes *eigenständiges* Projekt, mein Kind quasi, bin somit Alleinerzieher von meiner Th_er_ese, eher antiautoritär, glaube ich: Entwickeln und entwickeln lassen.
Zur Orientierung: Eintraege sind nach Datum von unten nach oben sortiert.
Legende
La Mina: Das Viertel in dem ich lebe und arbeite
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
Paco Moreno (alle Namen geändert): Praesident des CCG und Flamencopurist
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor
payo/paya: Nicht-Gitano / Nicht-Gitana, emic-Begriff
quinquillero_a: Nomad_in, der/die wie ein Gitano lebt aber ethnisch keine_r ist, auch emic
mestizo_a: Jemand, der genetisch 50/50 Gitano/Payo ist
Donnerstag, 24. Mai 2012
Selbsttäuschung => Enttäuschung, Bedürfnisse => Abhängigkeit, aber zum Glück gibts ja den Englischkurs
Da geh ich also ins Feld mit meinen Bekenntnissen von wissenschaftlichem Abstand auf den Lippen, und bringe dabei alle meine sozialen Bedürfnisse mit – und da das Feld fast ausschließlich mein physischer und sozialer Ort ist, werden diese Bedürfnisse fast ausschließlich auf das Feld projiziert. Nähe, Kommunikation, verstanden werden, verstehen, Freunde, Spaß mit Freunden, Hilfe von Freunden, Reibung mit Freunden, sichfallenlassenkönnen, Liebe! ...das alles, BRAUCHE ich über kurz oder lang oder vielleicht jeden Moment. Eine soziale Abhängigkeit also, aufgrund von Menschsein und mangels realer sozialer Strukturen außerhalb des Felds.
Buddha würde sagen: „Attachment“ das Leiden verursacht. (Er schlägt da fast in eine Kerbe mit der Doktrin vom wissenschaftlichen Abstand.)
Hat er schon recht, aus den Bedürfnissen heraus baue ich mir Illusionen auf, falsche Träume sozusagen: Dass das und das so wunderbar läuft, dass ich da und da so und so sein kann, dass diese Wohnung so und so toll sein wird – Zweckoptimismus würd ich sagen, weil : ich brauchs ja. Endet aber meistens in Enttäuschung und Traurigkeit. Auch wenns eigentlich gut läuft, bin ich dann oft unzufrieden bis erschüttert.
Und ich fürchte, das gilt auch für meine persönliche Freiheits- und Authentizitätsdoktrin: Ich stelle mir das Paradies „dahinter“ vor, wenn ich dann „dort“ bin, frei und authentisch bin. Und dass es dann sowas wie die „totale Erkenntnis“ gibt, für die Th_er_ese, aber auch das hat viel von einer Wunsch-Illusion … fürchte ich.
Bezüglich sozialer Abhängigkeit lässt sich darüberhinaus vermuten, dass ich ohne das Skelett meiner Englischlehrerrolle schon längst zusammengesackt wäre, nicht wissend was tun, was reden, was zurückgeben. Praktisch gesehen hätte ich nichts zu tun! Und das würd ich nicht aushalten! …Wahrscheinlich.
Der Englischkurs
Aber zum Glück gibts diesen Englischkurs eben, den ich nun tatsächlich als Voluntär-Lehrer im Rahmen des CCG (Centro Cultural Gitano) gebe. Und er läuft zur Zeit gut – „zur Zeit“, weil die ersten zwei Stunden mangels pädadogischer Qualifikationen und Schlaf sehr schwierig bis deprimierend waren, zuwenig Autorität, zuwenig Konzept, zuviel allgemeine Verunsicherung und Befremdung. Da kommts wieder: zuwenig „Nähe“, oder vielleicht im Sinne von Turner: zuwenig „communitas“, eigentlich.
In der gestrigen (dritten) Stunde dann aber der Durchbruch, sehr animiert alle, und eine Aufmerksamkeit, Lernwilligkeit und Konzentration die ihnen diverse rassistische Meinungen von außen niemals zugestehen würden.
Für mich: fast wie ein Rausch. Türl aufgegangen. Grenze überschritten. Bedürfnis erfüllt.
Bezahlt werde ich darüberhinaus mit sozialem Kapital...mit den Beziehungen die sich zu den SchülerInnen und zum CCG aufbauen, dessen Präsident höchstselbst im Kurs sitzt und den Tausch "beforscht werden gegen Englischkurs" als sehr gut erachtet.
Und zum ersten Mal gibts eine wirkliche Identifikation mit dem Vorhaben meinerseits: bis jetzt hab ich es ja eher als ein Mittel zum Zweck behandelt, aber nun, wieder mit wahnsinnig tollen Bildern a la „der Club der verlorenen Dichter“ im Kopf: Ich will ihnen wirklich Englisch beibringen! Mit Haut und Haaren, mit allem was ich hab! Eine echte Mission!!
Besser. Auch für die Th_er_ese. Ich glaube, dass sie zum Wachsen neben Professionalität, Utilitarismus und „Abstand“ auch Leidenschaft braucht. Womit wir wieder bei den Träumen wären.
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