Gestern gabs wieder aus dem Blauen eine kleine einweihung: Ein spontanes gespräch mit dem präsidenten des kulturzentrums, Paco Moreno, auf der straße. Besser illustriert: Sara (s. legende) und ich machten grad den laden dicht – ich bin jetzt ja jeden tag dort, zum vorbereiten der englischstunden und für die stunden selbst, aber z.Z. auch als allgemeiner freiwilliger mitarbeiter des zentrums, bissi hausmeister und sekretaer. Moreno schneit jeden tag einmal vorbei, so ca., diesmal gings u.a. um seine immatrikulierung für philologie. Das will er studieren, weil er „hat viel zu erzählen“ und will „das mit Stil machen“, sagte er. Dann kamen wir irgendwie aufs pinkeln zu sprechen und dass wir alle im grunde tiere sind (er: „ich stamme nicht nur von affen ab, ich BIN einer), um dann wieder über den unterschied zwischen anthropolgie, ethnologie und europäischer ethnologie und meine zukunftigen pläne zu sinnieren... schließlich gings mehr in die tiefe: Er meinte dass es jetzt noch viel „vergüenza“ zwischen uns beiden gibt, also scheu bis scham, und dass wir uns besser kennenlernen müssen, die „anderen personen im anderen“, v.a. indem ich jetzt bald mal die gitano-einweihung machen werde, die grosse, die, wie er sagte, „gitano-version der indianischen friedenspfeife“: sich gemeinsam einen ansaufen, ziemlich kompetitiv, glaube ich.
Die leute von außerhalb des viertels sagen mir ausnahmslos alle auf die eine oder andere art, dass „sie“ mich am ende betrügen, berauben, fallenlassen werden, weil sie mich immer als „payo“ betrachten werden, sie sagen dass „sie“ wie die tiere sind, praktisch unfähig was zu lernen, usw. Aber im viertel selbst herrscht eher ein gleichheitsdiskurs vor, die leute wollen sich, bei allem bewusstsein „ihrer“ kultur, in erster linie als menschen sehen und ethnische unterschiede nicht so sehr betonen. Das wird m.E. auch gelebt, in den bars z.b. gibt es ein freies ein-und ausgehen von gitanos/-as und pay_as (wie gender ich das?), egal ob der besitzer nun gitano/a oder payo/a ist, und eine freie interaktion zwischen ihnen.
Und dieser Moreno-clan, „seine“ organisation und dessen mitarbeiter, scheint in der hinsicht das sahnehäubchen zu sein. Es schaut immer mehr danach aus dass es zumindest hier sehr wohl möglich ist, mehr akzeptanz bis freundschaft, vertrauen und „geheimnis“ zu erreichen als es nicht nur die rassistischen äußerungen von außen, sondern auch die ethnologen, die da schon forschten, sagen.
Denn letztere, im konkreten hab ich bis jetzt zwei, tun zwar auf offener ansatz, haben aber anscheinend doch noch einen riesenhaufen falscher vorstellungen im kopf, die ihnen soviel angst machen dass es fuer sie nicht moeglich ist ganz normal im feld zu LEBEN!
Auf einen davon (namen lass ich weg) und seine „ethnographie andalusischer gitanos in la mina“ hab ich mich bis jetzt voll verlassen, und sie hat auch bestimmt ihren wert, aber laut Moreno ist schon der titel falsch, und fokus der arbeit auf "andalusisch", weil sich die gitanos andalusischer herkunft hier nicht mehr wirklich als andalusisch sehen, herrje. Der Forscher hat zwar im zentrum mitgearbeitet, hat sich durchaus „an haxn ausgrissn“, ist aber in die arbeit GEPENDELT, weil er offensichtlich nicht im viertel leben wollte, und vor allem deshalb war seine forschung laut perona „schlecht“, weil er vieles nicht verstanden hat. Moreno WILL also sogar, dass ich sie beforsche, weil es seines erachtens wenig gute forschung ueber gitanos gibt. Vorausgesetzt ich machs „gscheit“, dh dort leben, mich mit ihnen austauschen, etc.
Er hat mich also explizit gefragt, ob ich jetzt wirklich bleibe, und wie lange, und will mich glaube ich als teil des teams vom kulturzentrum behalten.
Und deshalb hätte er mich auch gerne als schüler in dem Romanes-Kurs den er interessanterweise nur für gitanos geben möchte (tja, bei einigen besonderen kulturelementen wie sprache und flamenco wird’s im sinne ethnischer trennung dann doch ernst).
Wieder einmal stellt sich mir die frage: Wo wird das nur hinfuehren?
Ich empfinde die Feldforschung gerade als sehr spannend, was sehr erfuellend ist und hoffnung macht, gerade im kontext meiner "sozialen abhaengigkeit", es macht aber auch angst, wie zb besagte einweihung, in gewisser hinsicht. Aber das ist eine geschichte fuer spaeter.
Dieser Blog soll Medium sein für die Vermittlung und Reflexion meiner Feldforschung für die Diplomarbeit in Barcelona/ESP, Thema "Protestantische Kirchen als soziokulturelles Problem in spanischen Romacommunities". So bin ich hier auf mich allein gestellt, die Fittiche von Schule, Arbeitgeber, Uni hinter mich lassend, mein erstes *eigenständiges* Projekt, mein Kind quasi, bin somit Alleinerzieher von meiner Th_er_ese, eher antiautoritär, glaube ich: Entwickeln und entwickeln lassen.
Zur Orientierung: Eintraege sind nach Datum von unten nach oben sortiert.
Legende
La Mina: Das Viertel in dem ich lebe und arbeite
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
Paco Moreno (alle Namen geändert): Praesident des CCG und Flamencopurist
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor
payo/paya: Nicht-Gitano / Nicht-Gitana, emic-Begriff
quinquillero_a: Nomad_in, der/die wie ein Gitano lebt aber ethnisch keine_r ist, auch emic
mestizo_a: Jemand, der genetisch 50/50 Gitano/Payo ist
Samstag, 26. Mai 2012
Donnerstag, 24. Mai 2012
Selbsttäuschung => Enttäuschung, Bedürfnisse => Abhängigkeit, aber zum Glück gibts ja den Englischkurs
Da geh ich also ins Feld mit meinen Bekenntnissen von wissenschaftlichem Abstand auf den Lippen, und bringe dabei alle meine sozialen Bedürfnisse mit – und da das Feld fast ausschließlich mein physischer und sozialer Ort ist, werden diese Bedürfnisse fast ausschließlich auf das Feld projiziert. Nähe, Kommunikation, verstanden werden, verstehen, Freunde, Spaß mit Freunden, Hilfe von Freunden, Reibung mit Freunden, sichfallenlassenkönnen, Liebe! ...das alles, BRAUCHE ich über kurz oder lang oder vielleicht jeden Moment. Eine soziale Abhängigkeit also, aufgrund von Menschsein und mangels realer sozialer Strukturen außerhalb des Felds.
Buddha würde sagen: „Attachment“ das Leiden verursacht. (Er schlägt da fast in eine Kerbe mit der Doktrin vom wissenschaftlichen Abstand.)
Hat er schon recht, aus den Bedürfnissen heraus baue ich mir Illusionen auf, falsche Träume sozusagen: Dass das und das so wunderbar läuft, dass ich da und da so und so sein kann, dass diese Wohnung so und so toll sein wird – Zweckoptimismus würd ich sagen, weil : ich brauchs ja. Endet aber meistens in Enttäuschung und Traurigkeit. Auch wenns eigentlich gut läuft, bin ich dann oft unzufrieden bis erschüttert.
Und ich fürchte, das gilt auch für meine persönliche Freiheits- und Authentizitätsdoktrin: Ich stelle mir das Paradies „dahinter“ vor, wenn ich dann „dort“ bin, frei und authentisch bin. Und dass es dann sowas wie die „totale Erkenntnis“ gibt, für die Th_er_ese, aber auch das hat viel von einer Wunsch-Illusion … fürchte ich.
Bezüglich sozialer Abhängigkeit lässt sich darüberhinaus vermuten, dass ich ohne das Skelett meiner Englischlehrerrolle schon längst zusammengesackt wäre, nicht wissend was tun, was reden, was zurückgeben. Praktisch gesehen hätte ich nichts zu tun! Und das würd ich nicht aushalten! …Wahrscheinlich.
Der Englischkurs
Aber zum Glück gibts diesen Englischkurs eben, den ich nun tatsächlich als Voluntär-Lehrer im Rahmen des CCG (Centro Cultural Gitano) gebe. Und er läuft zur Zeit gut – „zur Zeit“, weil die ersten zwei Stunden mangels pädadogischer Qualifikationen und Schlaf sehr schwierig bis deprimierend waren, zuwenig Autorität, zuwenig Konzept, zuviel allgemeine Verunsicherung und Befremdung. Da kommts wieder: zuwenig „Nähe“, oder vielleicht im Sinne von Turner: zuwenig „communitas“, eigentlich.
In der gestrigen (dritten) Stunde dann aber der Durchbruch, sehr animiert alle, und eine Aufmerksamkeit, Lernwilligkeit und Konzentration die ihnen diverse rassistische Meinungen von außen niemals zugestehen würden.
Für mich: fast wie ein Rausch. Türl aufgegangen. Grenze überschritten. Bedürfnis erfüllt.
Bezahlt werde ich darüberhinaus mit sozialem Kapital...mit den Beziehungen die sich zu den SchülerInnen und zum CCG aufbauen, dessen Präsident höchstselbst im Kurs sitzt und den Tausch "beforscht werden gegen Englischkurs" als sehr gut erachtet.
Und zum ersten Mal gibts eine wirkliche Identifikation mit dem Vorhaben meinerseits: bis jetzt hab ich es ja eher als ein Mittel zum Zweck behandelt, aber nun, wieder mit wahnsinnig tollen Bildern a la „der Club der verlorenen Dichter“ im Kopf: Ich will ihnen wirklich Englisch beibringen! Mit Haut und Haaren, mit allem was ich hab! Eine echte Mission!!
Besser. Auch für die Th_er_ese. Ich glaube, dass sie zum Wachsen neben Professionalität, Utilitarismus und „Abstand“ auch Leidenschaft braucht. Womit wir wieder bei den Träumen wären.
Donnerstag, 10. Mai 2012
Das Sein im Feld
Wenn ich mich im Feld frei“arbeiten“ kann, und mich nicht nur verbal, sondern auch emotional-affektiv ehrlich ausdrücken kann, weil ich ein grundsätzliches Vertrauen beiderseits er“arbeitet“ habe, dann, ja dann! Ich betrachte das als Methode, eine sehr wirksame, weil sie einfach mehr sichtbar macht als passives Observations-Verhalten. Ein starker persoenlicher Ausdruck ist wie eine klare Frage, auf die klare Antworten kommen. Es wird dann klar, „obs geht oda net“, ob ja oder nein, ob und wie ich oder dieser jeweilige Ausdruck angenommen oder zurückgewiesen wird, und fertig. Genau da kommen dann erst wertvolle Daten raus, klare Reaktionen. Aber es ist halt sehr verlockend, im Zustand der Unbestimmtheit, am österreichischen (bzw. "wissenschaftlichen") Weg zu bleiben: sich ducken, damit nix passieren kann, sich in Sicherheit wiegen. Sich nicht verwundbar zu machen, preiszugeben, keine Angriffsfläche zu bieten.
Sicher, „klare Reaktionen“ heißt auch: mehr Watschen, wahrscheinlich.
Beispiel: Ich am explorieren, in einer belebten Gitano-Bar, am Nachmittag. Es herrscht eine Stimmung zwischen Partybar und Dorfbeisl, spontan entsteht ein Tanz- und Klatschkreis, Flamenco, ich stelle mich dazu, und da fordern sie mich auf, IN den Kreis zu gehen, Tanzeinlage machen. Im Sinne eines „Action Research“ und auch im Zwang, nicht Nein sagen zu dürfen (Akzeptanz bekommen) geh ich halt rein und bin sogleich verloren, irgendwo zwischen ich selbst und Gitano sein wollen, und komme mir beim „Tanzen“ in dem rauhen Umfeld irgendwie sehr „weiblich“ vor, was mir in dem Moment in dem Umfeld sehr unangenehm ist, oder auch wie ein lächerlicher Clown, wie ein sehr eigenartiger Fremdkörper, und winde mich, komm nicht raus: peinlich und unangenehm bis masochistisch. Verhaltene Reaktionen. Hätte vielleicht doch ein bisschen warten sollen, bis ich weiß was ich will oder kann in der Situation, (erst mal) Nein sagen ist manchmal vielleicht doch gescheiter.
Oder aber: es hat einfach nicht funktioniert, weil ich mich am Ende (=im Moment) eben doch nicht getraut habe, aufzumachen, mich freizumachen von den ganzen Zwängen die ich mir da „für die Wissenschaft“ auferlege – vor allem der Zwang, einen Eingang ins Feld zu finden, sprich akzeptiert zu werden.
Daher bleibe ich dabei: Wenn man riskiert, den Mund aufzumachen, seine Meinung zu sagen, seine Identität zu leben, bekommt man die Sicherheit der Klarheit und des Wissens, wenn man nix tut und sich hinter wissenschaftlich-objektivem Abstand, Ausreden oder „ich hab Angst“ versteckt, bleibt man in der Unsicherheit der Unbestimmtheit und des Unwissens. Ein Gewitter mag zwar unangenehm sein, es mag stören, verstören, zerstören, aber danach ist die Luft klarer...ohne Gewitter bleibts schwül.
Aber klar, das ist ein Idealbild, an dem ich mich orientieren moechte, Theorie halt. Schauen wir mal, wie "ideal" ich das Gewitter finde, wenn zB. mein Englischkurs, der ja auch als eine Art Kontrastmittel gedacht ist, schiefgehen sollte. Und schauen wir mal, wieviel von dieser "self-exposure" wirklich notwendig ist - denn ich lebe bald dort, und dann wird vieles einfach auch alltaeglich sein, und nach keinen Wundern verlangen. Dann wird die Herausforderung wahrscheinlich darin liegen, eben nicht mehr soviel zu wollen, Geduld zu haben und ganz gemütlich Knochenarbeit zu leisten.
Sicher, „klare Reaktionen“ heißt auch: mehr Watschen, wahrscheinlich.
Beispiel: Ich am explorieren, in einer belebten Gitano-Bar, am Nachmittag. Es herrscht eine Stimmung zwischen Partybar und Dorfbeisl, spontan entsteht ein Tanz- und Klatschkreis, Flamenco, ich stelle mich dazu, und da fordern sie mich auf, IN den Kreis zu gehen, Tanzeinlage machen. Im Sinne eines „Action Research“ und auch im Zwang, nicht Nein sagen zu dürfen (Akzeptanz bekommen) geh ich halt rein und bin sogleich verloren, irgendwo zwischen ich selbst und Gitano sein wollen, und komme mir beim „Tanzen“ in dem rauhen Umfeld irgendwie sehr „weiblich“ vor, was mir in dem Moment in dem Umfeld sehr unangenehm ist, oder auch wie ein lächerlicher Clown, wie ein sehr eigenartiger Fremdkörper, und winde mich, komm nicht raus: peinlich und unangenehm bis masochistisch. Verhaltene Reaktionen. Hätte vielleicht doch ein bisschen warten sollen, bis ich weiß was ich will oder kann in der Situation, (erst mal) Nein sagen ist manchmal vielleicht doch gescheiter.
Oder aber: es hat einfach nicht funktioniert, weil ich mich am Ende (=im Moment) eben doch nicht getraut habe, aufzumachen, mich freizumachen von den ganzen Zwängen die ich mir da „für die Wissenschaft“ auferlege – vor allem der Zwang, einen Eingang ins Feld zu finden, sprich akzeptiert zu werden.
Daher bleibe ich dabei: Wenn man riskiert, den Mund aufzumachen, seine Meinung zu sagen, seine Identität zu leben, bekommt man die Sicherheit der Klarheit und des Wissens, wenn man nix tut und sich hinter wissenschaftlich-objektivem Abstand, Ausreden oder „ich hab Angst“ versteckt, bleibt man in der Unsicherheit der Unbestimmtheit und des Unwissens. Ein Gewitter mag zwar unangenehm sein, es mag stören, verstören, zerstören, aber danach ist die Luft klarer...ohne Gewitter bleibts schwül.
Aber klar, das ist ein Idealbild, an dem ich mich orientieren moechte, Theorie halt. Schauen wir mal, wie "ideal" ich das Gewitter finde, wenn zB. mein Englischkurs, der ja auch als eine Art Kontrastmittel gedacht ist, schiefgehen sollte. Und schauen wir mal, wieviel von dieser "self-exposure" wirklich notwendig ist - denn ich lebe bald dort, und dann wird vieles einfach auch alltaeglich sein, und nach keinen Wundern verlangen. Dann wird die Herausforderung wahrscheinlich darin liegen, eben nicht mehr soviel zu wollen, Geduld zu haben und ganz gemütlich Knochenarbeit zu leisten.
Die kleine Th_er_ese entwickelt sich prächtig
Ja, und jetzt wächst es, glaube ich – die Englischklasse steht, beginnt nächste Woche, auf der Straße werde ich bereits von einer beachtlichen Zahl von Leuten beachtlich gut empfangen, es gibt viel Interaktion und viel zu Reden, ganz natürlich über Sachen die anstehen und Sachen die nicht anstehen. Auch viel Schmäh, von dem ich noch nicht viel versteh. Aber ich glaube, keiner auf meine Kosten, bis jetzt. Hoffe ich.
Leben und leben lassen: wie obsolet, wie weit weg mir da das Suchen von Interviewpartnern und Interviewleitfäden, Konzepte, Ergebniszwang erscheinen! Ich habe einfach nur eine soziale ROLLE eingenommen, die hier gut zu funktionieren scheint und den sozialen Raum im Hinblick auf mein Thema ganz gut abdeckt, und mehr brauche ich vorerst nicht - kein Konzept, keine Fragestellung, kein "reinfragen"... die EZA- und Inklusionsgeschichte kommt erst spaeter dran bzw. darf sich frei entwickeln wenn sie will. Da freut sich die Th_er_ese.
So lukriere ich spontan auf der Straße Schüler für den Kurs, bestaune die massig vorhandenen kulturellen Artefakte der Gitanos, die sie Kraft ihrer starken kulturellen Identität auch stark pflegen, in materieller als auch immatiereller Form, und fahre und frage das Viertel ab auf der Suche nach einer Mietwohnung (von der Idee, in irgendeinem hippen Viertel in Barcelona leben zu wollen, habe ich mich verabschiedet, im Feld muss ich sein, ist doch klar).
Bin gestern aus dem Hostel ausgezogen, auf die Straße – eine eher irrationale, intuitive Entscheidung, die sich als gut herausgestellt hat: Die Sekretärin des Kulturzentrums (paya) hat mich soeben zu ihrer Familie eingeladen, bis ich eine Wohnung hab, sie will nicht dass ich auf der Straße leben muss .... ich hab das NICHT so kalkuliert, ok?! Ich hab einfach nur meine Sachen im Kulturzentrum untergebracht, und mit keiner Silbe Bedürftigkeit kommuniziert. Es war eine Überraschung, eine weitere spannende Wendung im Leben meiner kleinen Th_er_ese.
Literatur ist aber schon auch ein Thema, in der Form dass der Anspruch, "endlich was zu lesen", immer da ist, aber zur Zeit eben nicht erfuellt werden kann. Wenn ich eine Wohnung habe, mich niedergelassen habe, etwas beruhige vielleicht, dann aber wirklich: Ethnographische Literatur ueber La Mina, Ethnopsychoanalyse (v.a. Erdheim und Devereux), Ethnopoesie (Leiris).
Leben und leben lassen: wie obsolet, wie weit weg mir da das Suchen von Interviewpartnern und Interviewleitfäden, Konzepte, Ergebniszwang erscheinen! Ich habe einfach nur eine soziale ROLLE eingenommen, die hier gut zu funktionieren scheint und den sozialen Raum im Hinblick auf mein Thema ganz gut abdeckt, und mehr brauche ich vorerst nicht - kein Konzept, keine Fragestellung, kein "reinfragen"... die EZA- und Inklusionsgeschichte kommt erst spaeter dran bzw. darf sich frei entwickeln wenn sie will. Da freut sich die Th_er_ese.
So lukriere ich spontan auf der Straße Schüler für den Kurs, bestaune die massig vorhandenen kulturellen Artefakte der Gitanos, die sie Kraft ihrer starken kulturellen Identität auch stark pflegen, in materieller als auch immatiereller Form, und fahre und frage das Viertel ab auf der Suche nach einer Mietwohnung (von der Idee, in irgendeinem hippen Viertel in Barcelona leben zu wollen, habe ich mich verabschiedet, im Feld muss ich sein, ist doch klar).
Bin gestern aus dem Hostel ausgezogen, auf die Straße – eine eher irrationale, intuitive Entscheidung, die sich als gut herausgestellt hat: Die Sekretärin des Kulturzentrums (paya) hat mich soeben zu ihrer Familie eingeladen, bis ich eine Wohnung hab, sie will nicht dass ich auf der Straße leben muss .... ich hab das NICHT so kalkuliert, ok?! Ich hab einfach nur meine Sachen im Kulturzentrum untergebracht, und mit keiner Silbe Bedürftigkeit kommuniziert. Es war eine Überraschung, eine weitere spannende Wendung im Leben meiner kleinen Th_er_ese.
Literatur ist aber schon auch ein Thema, in der Form dass der Anspruch, "endlich was zu lesen", immer da ist, aber zur Zeit eben nicht erfuellt werden kann. Wenn ich eine Wohnung habe, mich niedergelassen habe, etwas beruhige vielleicht, dann aber wirklich: Ethnographische Literatur ueber La Mina, Ethnopsychoanalyse (v.a. Erdheim und Devereux), Ethnopoesie (Leiris).
START: Drei Monate Geburtswehen und Geburt - sie heißt Th_er_ese
Fast drei Monate hat es hier also gebraucht, an durchaus schmerzhaften Irrwegen im Feld, bis ich einen „Eingang“ gefunden habe, einen Eingang ins soziale Feld, einen Durchgang durch das Labyrinth meiner Zweifel, die sich nicht ausmalen konnten, wie ich da denn jemals hineinfinden sollte.
Nur kurz zur Vorgeschichte: Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Gitanos, Eingang ins Feld gesucht über eine sozialwissenschaftlich ausgerichtete Institution an der Uni Barcelona mit sozialwissenschaftlich-sozialpolitischem Hintergrund (Überwindung sozialer Ungleichheit, vor allem marginalisierter Gruppen wie eben z.B. den Gitanos, mittels partizipativer lösungsorientierter Forschungsprojekte). Mein Ansatz war sehr offen: mit wenig Konzept als Praktikant „einfach mal mitarbeiten“ bei EZA-Projekten mit Gitanos, und schauen in welche Richtung sich mein Blick entwickelt, unter Mithilfe einer Tutorin aus dieser Institution. Damit war ich von anfang an auf Konfrontationskurs mit den Vorstellungen und Ansprüchen die da an mich herangetragen wurden. Ich kam in kein Projekt rein, die Tutorin vorenthielt mir wichtige Infos (Eingänge), und nach drei Monaten kam dann das Ultimatum „schick uns jetzt endlich ein richtiges Konzept oder du bist raus“. Ich warf das Handtuch, schluckte erst mal, und atmete bald erleichtert auf: endlich frei von dieser Abhängigkeit, von den imaginierten Zwängen, frei von der Warterei auf Email-Antworten, frei von ziemlich fremden Academia-Codes, endlich den Blick ganz einfach abgewandt von diesen labyrinth-artigen institutionellen Mauern, die mir keinen rechten Zugang gewaehrten.
Und hin zur „anderen Seite“, der Zielgruppe besagter Institution, den Gitanos, die am „Arsch von Barcelona“, wie dieses Viertel unter anderem genannt wird, leben, zusammen mit „payos“, also Nicht-Gitanos, marginalisiert, am Rand. 15.000 Einwohner in Plattenbauten, davon 5.000 Gitanos, hoechste Bevoelkerungsdichte, Arbeitslosigkeit, Kriminalitaet von Barcelona. Ich konnte nun endlich einfach „reingehen“, erst mal offene Interviews führen und explorativ auf der Straße und den Bars dort unterwegs sein, wurde in einer Bar gleich initiiert, musste „Chorizo“ essen (Wurst aus rohem Faschiertem), das Vegetarier-Sein ziemlich hart über Bord werfend: für die Wissenschoft!!
Aber ich hatte trotzdem keine Ahnung, wie ich es schaffen sollte, dass die Gitanos mich akzeptieren, als jemand der sie „beforscht“: Wie legitimiert man das auf lange Sicht, dass man daherkommt und sie ausfragt und sie beobachtet und über sie schreibt? Gerade bei Roma, die für eine gewisse Abneigung Forschern gegenüber bekannt sind. Der Gedanke „ich muss irgendwas zurückgeben“ führte dann zur Idee, mich als freiwilliger Englisch-Lehrer anzubieten, im Kulturzentrum der Gitanos im Viertel. Und das war DIE Idee, so ein „Geburtsmoment“, wo sich der Knoten und dieses mein latentes Schuldgefühl als „Beforscher“ endlich auflöste – ich hatte (m)eine Rolle gefunden! Zwar keine Ahnung vom Englischlehrersein, aber egal wird schon gehen, muss gehen, Hauptsache ich hab einen offiziell gut vertretbaren Sinn meines Tuns und Seins dort, einen Eingang! Einen fruchtbaren Boden, wo was wachsen kann ...
Nur kurz zur Vorgeschichte: Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Gitanos, Eingang ins Feld gesucht über eine sozialwissenschaftlich ausgerichtete Institution an der Uni Barcelona mit sozialwissenschaftlich-sozialpolitischem Hintergrund (Überwindung sozialer Ungleichheit, vor allem marginalisierter Gruppen wie eben z.B. den Gitanos, mittels partizipativer lösungsorientierter Forschungsprojekte). Mein Ansatz war sehr offen: mit wenig Konzept als Praktikant „einfach mal mitarbeiten“ bei EZA-Projekten mit Gitanos, und schauen in welche Richtung sich mein Blick entwickelt, unter Mithilfe einer Tutorin aus dieser Institution. Damit war ich von anfang an auf Konfrontationskurs mit den Vorstellungen und Ansprüchen die da an mich herangetragen wurden. Ich kam in kein Projekt rein, die Tutorin vorenthielt mir wichtige Infos (Eingänge), und nach drei Monaten kam dann das Ultimatum „schick uns jetzt endlich ein richtiges Konzept oder du bist raus“. Ich warf das Handtuch, schluckte erst mal, und atmete bald erleichtert auf: endlich frei von dieser Abhängigkeit, von den imaginierten Zwängen, frei von der Warterei auf Email-Antworten, frei von ziemlich fremden Academia-Codes, endlich den Blick ganz einfach abgewandt von diesen labyrinth-artigen institutionellen Mauern, die mir keinen rechten Zugang gewaehrten.
Und hin zur „anderen Seite“, der Zielgruppe besagter Institution, den Gitanos, die am „Arsch von Barcelona“, wie dieses Viertel unter anderem genannt wird, leben, zusammen mit „payos“, also Nicht-Gitanos, marginalisiert, am Rand. 15.000 Einwohner in Plattenbauten, davon 5.000 Gitanos, hoechste Bevoelkerungsdichte, Arbeitslosigkeit, Kriminalitaet von Barcelona. Ich konnte nun endlich einfach „reingehen“, erst mal offene Interviews führen und explorativ auf der Straße und den Bars dort unterwegs sein, wurde in einer Bar gleich initiiert, musste „Chorizo“ essen (Wurst aus rohem Faschiertem), das Vegetarier-Sein ziemlich hart über Bord werfend: für die Wissenschoft!!
Aber ich hatte trotzdem keine Ahnung, wie ich es schaffen sollte, dass die Gitanos mich akzeptieren, als jemand der sie „beforscht“: Wie legitimiert man das auf lange Sicht, dass man daherkommt und sie ausfragt und sie beobachtet und über sie schreibt? Gerade bei Roma, die für eine gewisse Abneigung Forschern gegenüber bekannt sind. Der Gedanke „ich muss irgendwas zurückgeben“ führte dann zur Idee, mich als freiwilliger Englisch-Lehrer anzubieten, im Kulturzentrum der Gitanos im Viertel. Und das war DIE Idee, so ein „Geburtsmoment“, wo sich der Knoten und dieses mein latentes Schuldgefühl als „Beforscher“ endlich auflöste – ich hatte (m)eine Rolle gefunden! Zwar keine Ahnung vom Englischlehrersein, aber egal wird schon gehen, muss gehen, Hauptsache ich hab einen offiziell gut vertretbaren Sinn meines Tuns und Seins dort, einen Eingang! Einen fruchtbaren Boden, wo was wachsen kann ...
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