Vorgeschichte: Ich besuche mittlerweile zwei Kirchen, die
Große (s. letzter Eintrag) und eine kleine Garagenkirche in der selben Straße. Hier ein kleiner Überblick über die Verschiedenheit dieser beiden am Papier "gleichen" Kirchen, so wie es sich für mich bis jetzt darstellte:
Die Große Kirche - generell Die Kleine Kirche - generell
Relativ hierarchisch Wenig hierarchisch
Stark institutionalisiert Wenig institutionalisiert
Höhere soziale Schichten, oder man tut so (Kleidung) "Arbeiterkirche", Statuspräsentation unwichtig
Soziales u. ökonom. Kapital durch polit. Verbindungen Soziales Kap. untereinander,wenig ökon. Kapital
Soziales u. ökonom. Kapital durch polit. Verbindungen Soziales Kap. untereinander,wenig ökon. Kapital
Feld teilweise schwer zugänglich (Pastoren) Feld offen
Große Messe: Kleine Messe:
Heller, großer Kirchenraum: Halle Dunkler, schummriger, kleiner Kirchenraum: Höhle
Durchstrukturiert, Ritual wird v. oben bestimmt Wenig strukturiert, Ritual wird v. allen getragen
Theologischer Inhalt, Fokus auf die Predigt (45 min) Wenig theol. Inhalt, Predigt 5-10 min
Gottesbeziehung über die Pastoren (veräußert) Persönliche Gottesbeziehung (verinnerlicht)
Aktives Gebet: ca 10 min, nach Anweisung Viele die ganze Messe über, eigeninitiativ
Publikum passiv Publikum aktiv
Trennung zwischen Pastoren und "Publikum" Grenzen verschwimmen, wenig Trennung
Viel Trennung unter den Messebesuchern Weitgehende soziale Einheit, "Familie"
Wenig Ekstase Viel Ekstase
..............usw.
Kurz, aus meinem bisherigen, geheimen Werten heraus: Große Kirche böse, kleine Kirche toll, große Kirche manipulativ bis diktatorisch, kleine Kirche demokratisch. Zu meiner Verteidigung soll aber gesagt sein dass ich in der Großen schon Messen erlebt habe, die mich verstört bis zerstört zurûckgelassen haben, und in einem Ekel und Zorn Religion und Kirche gegenüber. Stichwort "Manipulation" von seiten der Pastoren, und "Passivität" von seiten der Kirchengänger. Die Sicht verstärkt durch persönliche Wertungen, klar.
Gestern kam aber alles anders. Mit der Vorahnung, dass heute abend im Culto was wichtiges passieren wird, ging ich in die kleine Kirche. Und stieß auf Unerwartetes: Sie erlaubten mir nicht, die Messe aufzunehmen, weil der Pastor nicht da war. Ich fühlte mich von einem Co-Pastor dann beobachtet, beäugt, unangenehm. Die Messe kurz und bündig, flach. Ein mir versprochenes Video nicht verfûgbar, usw. - nichts zu holen, außer die aus dem sichtbar Werden von Grenzen resultierenden Informationen.
Dann tatsächlich zufällig (planlos) bei der großen Kirche vorbei- und in die Nach-Messe-Gesellschaft vor der Kirche hineingestolpert. Und, jeglicher Absicht, "feldforschen" und Informationen generieren zu wollen, entledigt, konnten äußerst produktive Feldforschungssituationen entstehen. Oder: Meine soziale Performance (Offenheit) veranlasste einen der bis dahin so unzugänglichen Pastoren dazu, an mich heranzutreten und mal zu schauen wer denn dieser Fremdling ist, der in der Messe schon durch bloße Anwesenheit aufgefallen ist. Aus einem fast ganz ehrlichen Position beziehen heraus ("ich will auch ein Buch über Gitanos schreiben, und VIELLEICHT nehme ich auch das Glaubensthema mitrein", "ich will euren Glauben verstehen, und auch fühlen") ergab sich ein fruchtbares, dynamisches Gespräch, aus dem ich mehr Informationen und sozialintegrativen Fortschritt bezog als aus mindestens drei Messebesuchen. Er unterrichtete mich, ich interviewte ihn, ohne es zu "müssen", ja fast ohne es zu wissen. Am Ende ein Handschlag fast wie unter Kumpels.
Die negativen Bewertungen kann ich nun wieder entschärfen (ohne obige Daten zu vergesen). Und es sieht so aus dass ich sogar als deklarierter Forscher da ein- und ausgehen kann was bisher unmöglich erschien. Denn mein "Buch" wird nun als "gottgewollt" angesehen: als ein Art Werkzeug Gottes, mich zu dieser Kirche bzw. zum wahren Glauben hingeführt zu haben. Hallelujah.
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