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Legende
La Mina: Das Viertel in dem ich lebe und arbeite
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
Paco Moreno (alle Namen geändert): Praesident des CCG und Flamencopurist
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor


payo/paya: Nicht-Gitano / Nicht-Gitana, emic-Begriff
quinquillero_a: Nomad_in, der/die wie ein Gitano lebt aber ethnisch keine_r ist, auch emic
mestizo_a: Jemand, der genetisch 50/50 Gitano/Payo ist

Samstag, 13. Oktober 2012

Zwei Leben

Schon wieder 7 Wochen vergangen seit meinem letzten konstruktiven Eintrag bzgl. der Forschung selbst - so sehr nimmt mich neben der Feldforschung immer mehr auch ein "Leben neben dem Forschen" hier ein: neue Bekanntschaften außerhalb der Stadt / des Feldes, Ausgleich, Frischluft, emotional-räumliche Befreiung, Befreiung aus erwähnten sozialen Abhängigkeiten im Feld, ein richtiges Haus bewohnen, Badewanne. Und Reflexion über mein temporär verlassenes Feld, andere Blicke von außen als die Meinigen.
Aber es gab/gibt noch viel mehr, das mich vom "Forschen" als solches abhält: Wohnmobil anmelden, Wohnmobil reparieren, Wohnmobil einrichten, gegen Wassereinbrüche im Wohnmobil ankämpfen. Haushalt machen, kochen, essen, Siesta. Krank im Bett liegen. Beim Klettern runterfallen und die rechte Hand für zwei Wochen schreibunfähig machen. Den Englischkurs halten, der bzgl. Datensammlung auch nicht mehr direkt zur Feldforschung zu zählen ist. Einfach mal was anderes lesen als Theorie-- Tagträumen! Didgeridoos basteln! Und nicht zuletzt Begegnungen im Feld bei denen ich meinen "Auftrag" mal ignoriere.


Aber die The_re_se lebt, ist nicht verhungert, ich habe mit relativ kleinem Aufwand und großer Effizienz das Ding so weit am laufen gehalten dass ich weiterhin ruhigen Gewissens am Wochenende ins Blaue fahren kann.
So wie schon vor Monaten, habe ich gleich beim Eintritt ins Feld einen vielversprechenden Mentor gefunden, ein Mann namens Mateo (Name geändert). Ich setzte mich in einer Messe des Culto (s. oben) zufällig neben ihn, er meinte dann dass es keine Zufälle gibt und lud mich am selben Abend noch zu sich nach Hause ein, zum Abendessen. Dieses Eingeladenwerden von Gitanos hatte monatelang nicht funktioniert, und nun so plötzlich! 
Er ist ein angesehener Mann, Familienpatriarch, überzeugter Gläubiger, gleichzeitig Traditionalist (starkes Spannungsfeld weil Opposition Culto-Tradition). Jaja, da kocht und serviert noch die Frau das Essen, und nur die Frau, während sie auch noch auf Enkerln und Urenkerln aufpasst (sie sind mit 62 bereits vielfache Urgroßeltern). Trotzdem ist diese Familie innerhalb der Gitanocommunity hier zum Bildungsbürgertum zu zählen...noch ein Spannungsfeld.
Das Leben ist voller Widersprüche, besonders hier, und einige davon muss ich in meiner Analyseküche zu einem  Süppchen verkochen, das zuerst mal ich selbst und dann meine KollegInnen sowie die Leute aus dem Feld für interessant-neu-rund-gesund für die Gesellschaft befinden.

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