Zur Orientierung: Eintraege sind nach Datum von unten nach oben sortiert.

Legende
La Mina: Das Viertel in dem ich lebe und arbeite
CCG: Centro Cultural Gitano de La Mina - Kulturzentrum urspruenglich andalusischer Gitanos in La Mina
Culto: Evangelische Pentecost-Kirche mit hohem Gitanoanteil
Paco Moreno (alle Namen geändert): Praesident des CCG und Flamencopurist
Janko Moreno: Bruder von Paco, Barbesitzer, Flamenco-Fusionist
Kiko: Ein alter Gitano und wichtiger Gesprächspartner
Mateo: Gewährsmann im Culto, Mentor


payo/paya: Nicht-Gitano / Nicht-Gitana, emic-Begriff
quinquillero_a: Nomad_in, der/die wie ein Gitano lebt aber ethnisch keine_r ist, auch emic
mestizo_a: Jemand, der genetisch 50/50 Gitano/Payo ist

Sonntag, 6. Januar 2013

Kleine Kircheninitiation


Hier der Tagebucheintrag, der die letztens versprochene "Initiation" beschreibt. Der Kontext ist eine Nachtmesse in der großen Kirche, die einmal wöchentlich für junge Männer bis 25 abgehalten und von Laienpredigern geleitet wird: 

>>
Zum Culto: wollte zuerst gar nicht, da war nur Bernardo, Balderas (zwei Laienprediger) und ein Junge, wollte schon fast gehen. Eine etwas müde Partie fand sich ein, die Balderas nach dem Motto “eh nur a Viertelstunderl” in die Kirche einlud - es sah nach einem daten-armen Abend aus. Aber es entfaltete sich der spektakulärste, schönste und auch datenreichste Gottesdienst ever. It was crazy. 

Kirche wieder ganz dunkel.
Was wars diesmal – warum ...? Ein paar oraciones *, noch eher müde, dann gleich Gesang, der diesmal eine etwas andere Qualität hatte, mehr aus dem Herz, dann eine infernale oracion von Bernardo, und dann eines Moments (ich hatte ja schon einige Anwandlungen im Laufe des Abends gehabt, “Prepare your mind to die”, so in die Richtung) plötzlich die Aufforderung von Balderas, eine oracion zu machen. Kurzer Anfall von Angst, aufstehen, anfangs noch dem folgend was ich mir schon einmal durchgedacht hatte, "danke Jesus dass ich mit dir sein kann" oder so **, dann, sobald ichs zuließ wars wie "ganz-werden", plötzlich direkt aus meinem Herz zu sprechen, an andere sehr offene Herzen, die jeden Satz von mir mit affirmativen Seufzern, oder “que bieeeen” ("wie gut!") kommentierten. Ich dankte eben dafür, für diese offenen Herzen, dann auch an einen für mich quasi inneren, für die anderen äußeren Jesus:  
“danke Lehrer, danke Bruder”, "Bruder" leiser gesagt weil Angst dass es nicht konform geht, ist es aber. 
Ja, alles in allem kann ma sagen, gut gemacht, weil ich es gschafft habe, in einer sehr exponierten Situation wo ich Stellung beziehen musste ganz bei mir zu bleiben, und gleichzeitig so sehr "bei ihnen" zu sein, dass sie dann nach der Messe zu mir gekommen sind und sich bei mir bedankt haben (v.a. die zwei Laienprediger), für meine oracion, die ihnen "viel Gutes" getan habe, weil sie direkt von Herzen gekommen sei. 
Es war die Einweihung! 

Da waren Szenen heute ... 
Der Junge José ging zurück zu Nelson, die beiden 15 min lang in totaler Umarmung, total offen, sich gegenseitig segnend, weinend, rufend, Wünsche an Jesus für den jeweils anderen, etc.  Auch der sonst so souveräne grosse Lange, alleine zurückgesetzt und geweint, alles ausseghaut. Ich sah sie in einer Authentizität von Glaubenspraxis wie sonst nie. 
Die Kirche hat heute "funktioniert", als Herzöffnungsinstitution, zur Psychohygiene und Bearbeitung emotionaler Konflikte, und als gewaltiges soziales Event, sehr frei von Ritualdefinitionen, es war dann am Ende komplett frei (graduell immer mehr befreit), und dann keiner heimgegangen als das Ritual vorbei war, es wollte keiner heimgehen, “grassroots-power” plötzlich, communitas. 


*oracion = Ein Gläubiger steht auf und hält vor allen eine Art persönliches Gespräch mit Jesus
** alles auf Spanisch natürlich

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen